WAS IST DIE WISSENSCHAFTLICHE GRUNDLAGE FÜR ...

... die 11 Einstellungsursachen?

Die Einstellungsursachen [engl.: „attitude roots“] sind das Ergebnis einer umfassenden Studie des JITSUVAX-Teams, das eine "Taxonomie" typischer Argumente gegen Impfungen erstellt hat. Anhand einer systematischen Literaturauswertung von 152 wissenschaftlichen Artikeln und einer thematischen Analyse von 2414 impfgegnerischen Argumenten haben wir eine hierarchische Taxonomie dieser Argumente entwickelt, die nicht nur 62 gemeinsame und wiederkehrende Themen identifiziert, sondern - und das ist entscheidend - die Argumente mit 11 Einstellungsursachen in Verbindung bringt, die erklären, warum eine Person sich gegen Impfungen aussprechen könnte.

Diese Taxonomie wurde sowohl aus linguistischer als auch aus psychologischer Perspektive geprüft. Zunächst haben wir durch eine Kombination von menschlicher Kodierung und Algorithmen des maschinellen Lernens ein Computermodell entwickelt. Datengrundlage für dieses Modell waren Fehlinformationen von Impfgegner*innen in Bezug auf Impfungen gegen COVID-19. Aus einer Stichprobe von 585 widerlegten Behauptungen über die COVID-19-Impfung identifizierte das Team übergeordnete Einstellungsursachen [engl. "attitude roots"]. Ein Natural Language Processing Modell konnte diese zugewiesenen Einstellungsursachen mit beachtlichem Erfolg vorhersagen.

In einem zweiten Schritt rekrutierten wir 1250 Teilnehmer*innen aus der britischen Allgemeinbevölkerung, um ihre Zustimmung zu den in der Taxonomie enthaltenen Argumenten gegen Impfungen zu messen. Wir fanden anhand einer Faktorenanalyse heraus, dass ein 11-Faktoren-Modell (entsprechend den 11 Einstellungsursachen) eine optimale Lösung darstellt. Ob Personen Argumenten gegen Impfungen zustimmen, wurde signifikant durch 11 etablierte psychologische Maße vorhergesagt, von denen erwartet wurde, dass sie mit den Einstellungsursachen in Verbindung stehen.

Darüber hinaus haben wir unter Verwendung aller 11 Einstellungsursachen aus den Antworten der Teilnehmenden auf die psychologischen Variablen je vier Profile von Impfgegner*innen und Impfbefürworter*innen identifiziert. Insgesamt bietet diese Taxonomie einen validierten theoretischen Rahmen, um Argumente gegen Impfungen auf die jeweiligen zugrundeliegenden psychologischen Prozesse zurückzuführen.

Die Entwicklung dieser Taxonomie sowie deren Validierung wird in zwei wissenschaftlichen Artikeln erörtert, jeweils veröffentlicht in den Fachzeitschriften Nature Human Behaviour und Scientific Reports.

... die Wirksamkeit der Antworten auf dieser Webseite?

Die Antworten auf dieser Website basieren auf dem so genannten Empathetic Refutational Interviewing (ERI), einer vom JITSUVAX-Team entwickelten Methode. Die vier Schritte des ERI beruhen auf einer Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen aus der Psychologie und dem öffentlichen Gesundheitswesen zur Korrektur von Fehlinformationen, zur Akzeptanz von Impfungen und zur Kommunikation mit Patient*innen.

Das ERI-Protokoll selbst wurde speziell getestet, indem Gespräche mit fast 3.000 Bürger*innen aus dem Vereinigten Königreich und den USA simuliert wurden, insbesondere mit solchen, die Impfungen eher skeptisch gegenüberstehen. Das JITSUVAX-Forschungsteam führte hierzu eine Reihe von randomisierten, kontrollierten Online-Experimenten durch, um die Komponenten des ERI unabhängig voneinander sowie in Kombination zu testen. Diese Experimente ergaben Folgendes:

  • Es ist ein wichtiger und praktikabler erster Schritt, Impfbedenken anzusprechen, indem man die Teilnehmenden bittet, ihre Argumente zu erläutern: Wenn sie über ihre ablehnende Haltung gegenüber Impfungen sprechen, erhöht dies nicht die Zustimmung zu impfgegnerischen Argumenten. Wir können also das Gespräch eröffnen, indem wir Bedenken thematisieren, ohne befürchten zu müssen, dass die Patient*innen dadurch in ihrer Position gefestigt werden.
  • Die Studienteilnehmer*innen waren einem Arzt, der die ERI-Technik anwandte, durchweg wohlwollender gesinnt als einem Arzt, der die Argumente der Impfgegner direkt widerlegte (ohne die Ansichten der Patient*innen vorher anzuerkennen) oder einfach nur die Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen betonte, ohne näher auf die Teilnehmer*innen einzugehen. Bestätigung und Anerkennung von Überzeugungen ist also ein entscheidender Schritt, um eine Beziehung während des Gesprächs aufrechtzuerhalten.
  • Individuell angepasste Widerlegungen waren für die Teilnehmer*innen überzeugender und führten zu mehr Vertrauen und Offenheit gegenüber dem Arzt, als wenn der Arzt generische Widerlegungen nutzte. Dieser Schritt trägt also dazu bei, die Beziehung aufrechtzuerhalten und die Empfänglichkeit für Korrekturen von Fehlinformationen sowie für weitere Informationen zu erhöhen.
  • Die Akzeptanz von Impfungen stieg bei den Teilnehmer*innen, nachdem sie sachliche Informationen über Impfungen, Herdenimmunität und die Risiken einer Krankheit gelesen hatten, die von Illustrationen begleitet wurden. Dies entspricht den Erkenntnissen aus jahrzehntelanger früherer Forschung, wonach die Akzeptanz von Impfungen tendenziell steigt, wenn Menschen die Argumente und Fakten verstehen.
  • Im Vergleich zu verschiedenen Kontrollbedingungen war die ERI-Methode am besten in der Lage, Fehlannahmen von Impfgegnern zu reduzieren, die Akzeptanz von Impfungen zu erhöhen und gleichzeitig Vertrauen und Offenheit gegenüber dem Arzt, der das Gespräch führt, zu erzeugen.

Die ERI-Methode wurde darüber hinaus auch in einem randomisierten, kontrollierten Experiment mit 201 britischen sowie 120 finnischen medizinischen Fachkräften [engl.: HCPs] getestet, um deren Reaktion auf die Gesprächstechnik zu ermitteln. Die Wissenschaftler*innen von JITSUVAX verglichen dabei verschiedene Textszenarien, die dem medizinischen Fachpersonal gezeigt wurden: In der Experimentalgruppe interagierten ein HCP und ein*e Patient*in (oder eine Pflegekraft) gemäß der ERI-Methode, während der HCP den Patient*innen oder Pflegekräften in den Kontrollbedingungen nur Fakten zur Impfung vermittelte.

Die Studienteilnehmer*innen waren der Meinung, dass HCPs, die ERI verwendeten, das Gespräch mit dem Patienten besser führten als HCPs, die nur Fakten vermittelten. Teilnehmer*innen, die das Textszenario über ERI gelesen hatten, gaben zudem häufiger an, einfühlsam und zustimmend an ein Gespräch mit impfzögerlichen Patient*innen herangehen zu wollen als die Teilnehmer*innen in den Kontrollbedingungen.

Die ERI-Methode wird 2023 und 2024 in der Praxis evaluiert.

Weitere Informationen zu JITSUVAX finden Sie hier.

Berichte über unsere Arbeit finden Sie hier.

Eine Übersicht unserer wissenschaftlichen Veröffentlichungen finden Sie hier.