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Wenn es um Impfungen geht - warum sprechen manche Menschen von "Traditionalismus"?

Das Festhalten an der eigenen kulturellen Tradition ist wichtiger als eine Impfung.

Es ist bekannt, dass die politische Einstellung von Menschen ihre Einstellung gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen beeinflusst, vor allem wenn die Themen politisch aufgeladen sind. Impfungen im Speziellen wurden in vielen Ländern zum Politikum gemacht.

Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass weltweit Menschen mit rechten politischen Ansichten wissenschaftliche Erkenntnisse eher ablehnen als Menschen im linken Spektrum. Im Falle von Impfungen ist der Zusammenhang eher gering und äußert sich auf unterschiedliche Weise.

Der Widerstand gegen Impfungen in europäischen Ländern, inklusive Deutschlands, hängt mit Nationalismus, Rechtspopulismus sowie individualistischen und hierarchischen Weltanschauungen zusammen. Politisch motivierter Widerstand gegen Impfungen kann besonders heftig ausfallen, wenn eine Impfpflicht verhängt wird.

Hier wird argumentiert, dass Impfungen sich nicht mit Kulturen vereinbaren lassen, in denen Traditionen eine zentrale Rolle spielen. Impfungen werden als für die Gemeinschaft ungeeignet und als Abweichung von den eigenen kulturellen Überzeugungen empfunden. Menschen außerhalb der eigenen Kultur werden zudem als grundlegend anders wahrgenommen und oft als (in der Regel weniger gesunde) Außenseiter dargestellt.

Ist da was Wahres dran?

Viele unserer Traditionen geben uns Struktur und verleihen unseren Handlungen und Identitäten einen Sinn. Sie sind somit Teil unserer Persönlichkeit. Alle Menschen haben ein Recht darauf, dass ihre Traditionen von medizinischem Fachpersonal anerkannt werden. Sie sollten unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund mit Respekt behandelt werden.

Was könnte ich zu einer Person sagen, die sich auf diese Überzeugung versteift hat?

Der Dialog zwischen Patient*innen und Fachleuten des Gesundheitswesen ist am erfolgreichsten, wenn er von Empathie geleitet wird. Es ist wichtig, Patient*innen die Möglichkeit zu geben, ihre Einstellung zu erklären und Verständnis dafür zu zeigen. Deshalb müssen wir verstehen, welche Ursachen hinter den geäußerten Meinungen stecken. Die Ursache für die Einstellung einer Person nachzuvollziehen, bedeutet nicht, dass wir mit allen Einzelheiten ihrer Argumente einverstanden sein müssen. In diesem Fall können wir Folgendes anerkennen:

Viele unserer Traditionen geben uns Struktur und verleihen unseren Handlungen und Identitäten einen Sinn. Sie sind somit Teil unserer Persönlichkeit. Alle Menschen haben ein Recht darauf, dass ihre Traditionen von medizinischem Fachpersonal anerkannt werden. Sie sollten unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund mit Respekt behandelt werden.



Nachdem wir mit dieser (teilweisen) Zustimmung die Weichen gestellt haben, können wir im nächsten Schritt den spezifischen Irrglauben der Patientin oder des Patienten korrigieren.

Fast alle traditionellen Überzeugungen und Praktiken sind mit der Immunisierung gegen eine gefährliche Krankheit vereinbar. Ein traditioneller Lebensstil bedeutet keineswegs, dass wir unser eigenes Leben und das anderer Menschen aufs Spiel setzen sollten. Das gilt besonders für das Leben derjenigen, die zu Risikogruppen gehören oder andere Traditionen pflegen. Außerdem sind Traditionen nicht heilig, unveränderlich oder von Natur aus gut; sie verändern sich ständig, um sich an unsere Bedürfnisse und ethischen Standards anzupassen. Denken Sie beispielsweise an all die ungesunden Traditionen, die sich im Laufe unseres Lebens zum Besseren verändert haben, wie z. B. das Rauchen in Gegenwart von Kindern oder das Fahren ohne Sicherheitsgurt. Wir müssen am Leben bleiben, um auch unsere Traditionen am Leben zu erhalten.

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